Brutto für netto – viele Händler wiegen immer noch falsch

Wie füllt man das Sommerloch, wenn keine entlaufenen oder ausgesetzten Tiere Angst und Schrecken verbreiten? Zum Glück gibt es ein Thema, über das vermutlich seit der Erfindung der Waage diskutiert wird: das Mitwiegen von Verpackungen beim Verkauf (»brutto für netto«).

Folgende Medien haben sich in den letzten Tagen mit dieser Problematik beschäftigt:

Lesenswert sind nur die Artikel der Südwestpresse und der Süddeutschen Zeitung. Kurz zusammengefasst: Testkäufe durch die Eichdirektionen von drei Bundesländern im Juli haben gezeigt, dass viele Händler immer noch die Verpackung mitwiegen. Ein Drittel der Händler in Hessen und Baden-Württemberg hat nicht richtig gewogen, in Rheinland-Pfalz waren es dagegen nur sechs Prozent. Besonders hoch war die Quote der Beanstandungen in kleinen Betrieben.

Bei Welt Online ist die Überschrift Blödsinn: Beim Eichen handelt es sich um die eichtechnische Prüfung und Stempelung der Waage durch Mitarbeiter des Eichamts (vgl. DAM Glossar der Metrologie) und nicht um die hier vorliegende falsche Verwendung einer geeichten Waage.

Sie möchten noch mehr wissen? Auf waage-geeicht.de erklären wir ganz genau, wie man als Händler das Nettogewicht richtig bestimmen kann.

Update 07.08.2011: Noch ein Nachzügler: Die Waiblinger Kreiszeitung berichtet von „Schummeleien an der Waage“.

Kein brutto für netto – so wiegen Sie als Händler richtig

Gesetzeslage in Deutschland

Beim Verkauf von Waren nach Gewicht an Verbraucher darf die Verpackung nicht mitgewogen werden (§ 10a der Eichordnung § 26 der neuen Mess- und Eichverordnung). Lediglich „das Mitverwiegen von ganz dünnem Papier oder ganz dünner Folie kann von den Überwachungsbehörden geduldet werden, wenn das Gesamtgewicht des Verpackungsmaterials 1 g nicht überschreitet“ (PDF: Die Eichbehörden informieren: Brutto für Netto?). Stellt das Eichamt eine Ordnungswidrigkeit fest, drohen Bußgelder von mehreren hundert Euro.

Bestimmung des Nettogewichts

Jede preisrechnende Waage verfügt über eine Taraeinrichtung (Zuwiegefunktion), welche die korrekte Preisberechnung anhand des Nettogewichts ermöglicht. Grundsätzlich funktioniert dies wie folgt:

  1. Verpackung auf die Waage legen. Die Waage zeigt das Verpackungsgewicht an.
  2. Tara-Taste betätigen. Die Waage zeigt wieder Null an (mit Hinweis „Net“ o. ä.).
  3. Ware auf die Verpackung legen. Die Waage zeigt nun nur das Nettogewicht der Ware an.
  4. Grundpreis eingeben oder über PLU aufrufen. Die Waage zeigt den Verkaufspreis der Ware ohne Verpackung an.

Sofern das Verpackungsgewicht immer gleich ist, muss Schritt 1 nur einmalig nach Einschalten der Waage durchgeführt werden. Die Waage zeigt danach das negative Verpackungsgewicht an, wenn sie unbelastet ist. Bei manchen Waagen wird die Tara allerdings nach jedem Wägevorgang gelöscht und muss einmalig expliziert fixiert werden.

Etwas komplizierter sind Situationen, in denen sich das Verpackungsgewicht stark unterscheidet und die Ware nicht auf der Waage verpackt werden kann (man denke hier z.B. an verschieden große Feinkost-Schälchen). Je nach Waage kann es folgende Möglichkeiten zur Bestimmung des Nettogewichts geben:

Verkäufertara
  1. Verpackung auf die Waage legen. Die Waage zeigt das Verpackungsgewicht an.
  2. Verkäufertara-Taste betätigen. Die Tara wird für den aktuellen Verkäufer gespeichert.
  3. Verpackung von der Waage nehmen und Ware verpacken. Währenddessen können weitere Verkäufer mit der Waage arbeiten.
  4. Tara mit der Verkäufertara-Taste aufrufen und verpackte Ware auf die Waage legen. Die Waage zeigt das Nettogewicht an.
  5. Grundpreis eingeben oder über PLU aufrufen. Die Waage zeigt den Verkaufspreis der Ware ohne Verpackung an.
Handtara (Pre-Tara) oder Festtara
  1. Ware verpacken.
  2. Tara manuell eingeben oder aus einem Festtara-Speicher abrufen. Das Verpackungsgewicht muss hierzu natürlich bekannt sein (Handtara) bzw. vorher gespeichert worden sein (Festtara).
  3. Verpackte Ware wiegen. Die Waage zeigt das Nettogewicht an.
  4. Grundpreis eingeben oder über PLU aufrufen. Die Waage zeigt den Verkaufspreis der Ware ohne Verpackung an.
PLU-Tara
  1. Ware verpacken
  2. Verpackte Ware wiegen. Die Waage zeigt das Nettogewicht an.
  3. Grundpreis über PLU aufrufen. Mit dem Grundpreis wird eine für diesen Artikel festgelegte Tara als absoluter Wert oder prozentualer Wert abgerufen und vom Bruttogewicht abgezogen. Die Waage zeigt den Verkaufspreis der Ware ohne Verpackung an.

Welche dieser Möglichkeiten Ihre Waage unterstützt, entnehmen Sie am besten der Bedienungsanleitung. Eine einfache Tarafunktion ist aber auf jeden Fall vorhanden.

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Woran erkennt man eine geeichte Waage?

Kennzeichnung geeichter („konformitätsbewerteter“) Waagen ab 20.04.2016

Auf jeder geeichten Waage müssen bestimmte Kennzeichnungen vorhanden sein (Artikel 15ff der Richtlinie 2014/31/EU):

Kennzeichnung geeichte Waage ab 20.04.2016

  1. CE-Kennzeichnung.
  2. Metrologie-Kennzeichnung, diese „besteht aus dem Buchstaben „M“ und den letzten beiden Ziffern des Jahres, in dem die Kennzeichnung angebracht wurde, eingerahmt durch ein Rechteck.“ Die Höhe des Rechtecks muss dem CE-Zeichen entsprechen und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung muss unmittelbar hinter der CE-Kennzeichnung stehen.
  3. „Die Kennnummer(n) der notifizierten Stelle(n) gemäß Anhang II, die in der Phase der Fertigungskontrolle tätig war(en).“

Diese Kennzeichnungen sind oft (aber nicht immer) in das Typenschild der Waage integriert.

Alte Kennzeichnung vor dem 20.04.2016

Kennzeichnung geeichte Waage alt

Die vor dem 20.04.2016 verwendete Kennzeichnung bestand aus folgenden Elementen:

  • CE-Zeichen mit dem Jahr der Ersteichung (in diesem Fall 2012).
  • Die vierstellige Kennnummer der benannten Stelle, welche die EG-Eichung (oder EG-Überwachung) durchgeführt hat.
  • Eine grüne quadratische Marke mit einem schwarzen M (für Metrologie).

EU-Konformitätserklärung

Mit der geeichten Waage muss zudem eine EU-Konformitätserklärung hinsichtlich der Waagen-Richtlinie 2014/31/EU mitgeliefert werden. Diese kann als separates Dokument beiliegen oder Teil der Dokumentation (Bedienungsanleitung) sein.

Beispiel Konformitätserklärung für die geeichte Waage Ohaus Valor 4000 (Waagen-Richtlinie 2014/31/EU hervorgehoben):

EU Konformitätserklärung Ohaus Valor 4000

Siegelmarken / Plomben

Geeichte Waagen sind an bestimmten Stellen versiegelt oder verplombt. Diese Versiegelung wird in der EU-Baumusterprüfbescheinigung (früher EG-Bauartzulassung) beschrieben.

Beispiel geeichte Plattformwaage Kern IFB:

Waage Kern IFB Siegelmarken

Kennzeichnungsschild (Typenschild)

Typenschild eichfähige Waage

Das Typenschild enthält folgende Angaben (am Beispiel der geeichten Präzisionswaage A&D FZ-300i-EC):

Wenn zwar ein solches Typenschild vorhanden ist, aber nicht die oben als Erstes beschriebene Kennzeichnung, wurde die Waage nicht geeicht und darf nicht für eichpflichtige Verwendungen eingesetzt werden. Eine nachträgliche Eichung solcher Waagen ist in der Regel nicht mehr möglich, bitte bestellen Sie Ihre Waage daher immer gleich geeicht.

Eichmarken bei der Nacheichung in Deutschland

In Deutschland gilt für Waagen in der Regel eine Eichfrist von 2 Jahren. In den ersten zwei Jahren ist die Waage daher nur mit den o.g. Kennzeichnungen versehen. Bei der periodischen Eichung durch die zuständige Eichbehörde wird eine Marke mit dem Jahr der Eichung (hier 2018) angebracht:
Eichmarke Rheinland-Pfalz

Zudem kann eine zusätzliche „Eichung gültig bis“-Marke angebracht werden:

geeicht bis 2020

Unter dem alten Eichrecht waren diese beiden Marken in einer Marke kombiniert:

Eichmarke Waage Nacheichung

Dieser Artikel wurde zuletzt am 13.01.2022 überarbeitet.