Ein Blick in eine Ladenwaage für 10 US$

Letzte Woche hatten wir nach dem Testkauf einer Ladenwaage für knapp 40€ auf ebay.de davor gewarnt, solche Geräte für eichpflichtige Zwecke einzusetzen. Jetzt werfen wir einen Blick in das Innere der Waage, klären vorher aber noch eine Frage.

Was kosten die billigsten preisrechnenden Waagen beim Kauf aus China?

Bei der Suche nach „price computing scale“ auf Seiten wie alibaba.com, tradewind.com oder made-in-china-com findet man preisrechnende Waagen mit Verkäufer- und Käuferdisplays und Edelstahl-Wägeplatte zu Preisen ab 10 US$, ohne Edelstahl-Wägeplatte sogar ab 7 US$.

Die größte Übereinstimmung mit unserer Testwaage fanden wir bei einem Anbieter, der keine Preise angegeben hatte und auf unsere Anfrage nicht reagiert hat. Vermutlich hätten wir nicht gleichzeitig nach der CE-Konformität fragen sollen.

Die folgenden Fotos lassen sich durch Anklicken vergrößern.

Überblick

Auffällig ist auf den erster Blick der geringe Metallanteil, die Wägezelle sitzt nahezu direkt auf dem Plastikgehäuse. Übliche EMV-Entstörungsmaßnahmen wie Ferritkerne, abgeschirmte Komponenten oder eine leitfähige Innenbeschichtung des Gehäuses sind nicht zu sehen.
Billigwaage geöffnet

Hauptplatine

Entfernt man die grauen Flachbandkabel, wird deutlich, mit wie wenigen elektronischen Komponenten die Waage auskommt. Bei dem kleineren Chip oben handelt es sich um einen nichtflüchtigen Speicher (EEPROM). Der Mikrocontroller des chinesischen Herstellers Chipsea übernimmt alle weiteren Aufgaben: Analog-/Digitalwandlung, Preisrechenfunktion, Ansteuerung der Anzeigen, etc. Weitere Informationen oder Preise zu diesem Chip waren im Internet leider nicht zu finden, es scheint sich nicht um ein aktuelles Modell zu handeln.
Hauptplatine Preisrechenwaage

Displays

Die Displays bestehen aus einzelnen Sieben-Segment LED-Ziffern. Diese lassen sich kostengünstig ansteuern, waren bei unserer Testwaage aber schlecht verarbeitet:
LED-Ziffern

Löten statt Stecken

Bei vielen Waagen werden die Leitungen von der Wägezelle nicht gesteckt, sondern gelötet. Die hier verwendete Form des Anlötens an eine Stiftleiste ist allerdings sehr ungewöhnlich:
Wägezellenanschluss

Anschluss Batterie /Stromversorgung:
Anschluss Stromversorgung

Auch die Flachbandkabel sind an einem Ende angelötet:
Tasten

Der Akku ist nur mit „Yun Da“ beschriftet und ebenfalls angelötet, was nicht wartungsfreundlich ist:
Akku

Wägezelle

Die Wägezelle besitzt eine innerstaatliche chinesische Zulassung durch die Provinzregierung Zhejiang (Klasse C3). Bei dem Hersteller scheint es sich um ein kleines Unternehmen zu handeln, weitere Informationen konnten wir bisher nicht finden. Auf einen Überlastschutz wurde vollständig verzichtet, die Wägezelle könnte somit leicht beschädigt werden:
Wägezelle

Zum Vergleich hier eine Wägezelle mit einem wirkungsvollen Überlastschutz, wie er in der Marktwaage Adam WBZ verwendet wird:
Wägezelle Adam mit Überlastschutz

Es bleiben einige offene Fragen

Für die teuersten Komponenten konnten wir keinen Preis ermitteln, da der Mikrocontroller nicht mehr erhältlich ist und der Wägezellenhersteller nicht im Internet vertreten ist.

Dass die Waage zu extrem niedrigen Lohnkosten gefertigt wurde, zeigt sich an dem Verzicht auf Steckverbinder zugunsten von arbeitsintensiven Lötverbindungen.

Hinter das Thema „elektromagnetische Verträglichkeit“ kann man ein sehr großes Fragezeichen setzten. Mit der elektrischen Betriebssicherheit haben wir uns noch nicht weiter beschäftigt.

Es bleibt auch die Frage, wie diese offensichtlich für die ärmsten Regionen der Welt gedachten Waagen ungehindert auf den europäischen Markt gelangen konnten. Aus China sind selbstverständlich auch hochwertige preisrechnende Waagen mit Bauartzulassung und nachgewiesener CE-Konformität erhältlich, nur eben nicht für 10 US$.

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